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W112 300SE Coupe 06/1964
Baureihe 112021
Restauration Projekt #1
Die Bremsniederhaltung Hinterachse W109
Fertigstellung geplant bis Januar 2020

Die Bremsniederhaltung oder auch Bremsabstützung genannt

Die Bremsniederhaltung gab es damals bei MB nur bei den Baureihen W109 und W112 mit Luftfederung. Die gab es bei keiner Baureihe mit Stahlfederung wie W108, W110 oder W111. Die Bremsniederhaltung, an der Hinerachse, ist so konstruiert dass sie bei Vollbremsungen in Vorwärtsfahrt aber auch bei Rückwärtsfahrt die auftretenden Umfangskräfte (Bremsmomente) aufnehmen soll und auch tut.

Und wie funktioniert die Bremsniederhaltung denn eigentlich beim W109/W112 im Zusammenspiel mit der Luftfederung, wie haben die MB Ingenieure das gelöst?

Schauen wir einfach mal auf ein W111 Coupé mit Stahlfederung. Hier sind die Bremszangen fest an den Achsrohren der Hinterachse montiert. Bei einer Vollbremsung werden die auftretenden Bremsmomentkräfte auf die Achsrohre übertragen und das Fahrzeug wird mehr oder weniger stark aufgestellt. Es kommt daher zu einem positiven Sturz, so dass das Fahrzeug in aller Regel hinten hochgeht und dabei ausbricht, nur geübte Fahrer können diese Situation ohne grössere Schäden überstehen.

Bei den W109 und W112 Fahrzeugen mit Luftfederung sind die Bremszangen der Hinterachsen an den radial beweglichen Bremsniederhaltungen montiert. Die Bremsniederhaltungen sind aber nur in einem bedingten Winkel auf den Achsrohren radial drehbar gelagert. Sie verlagern so beim Bremsen das Bremsmoment auf die Bremsniederhaltung die an der Karosserie vor dem "Bremsmomentzentrum" eingreift und zieht die Karosserie hinten nach unten. Das Fahrzeug bleibt dadurch in aller Regel hinten unten und dabei in der Spur und somit lenkbar.

Hinterachse mit den Bremsniederhaltungen rechts und links
Bremsabstützung rechts innen neben der Bremsträgerplatte

Die Bremsniederhaltungen wurden letztens schon ausgebaut (siehe Arbeitsbuch Zerlegung der HA)

Die Bremsniederhaltungen sitzen aussen zwischen den Schubstreben und den Bremsankerplatten radial beweglich auf den HA Tragrohrlagern. Auf den Tragrohren ist eine speziell gefertigte Lagerfläche mit je 2 passgenau aufgesetzten Halblagerschalen (Teflon?), oben und unten. Die Lagerschalen werden seitlich durch s.g. hälftige Druckstege gegen axiale Verschiebung fixiert. Seitlich neben den Druckstegen ist rundum eine ca. 1mm Nut in der je eine Filzdichtung steckt. Auf den Halblagerschalen mit Druckstegen und Filzdichtungen sitzen oben und unten je ein hälftiges Lagergehäuse mit Zentrierstiften, mit je 2 seitlichen Rundgummidichtringen. An den Lagergehäusen ist ein Bremsabstützhebel montiert und der wird mit einem Abstandsrohr mit Gummipuffern rechts und links oben in den Domen der Längsträger (Bananen) befestigt.

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Bremsniederhaltung rechts mit Lagergehäuse und Bremsstützhebel
Die ausgebauten Lagergehäuse mit dem Bremsstützhebel
Die Lagerschalen auf dem Tragrohrlager mit den seitlichen Filzdichtungen und Gummidichtungen
Lagergehäuse, Lagerschalen, halbrunde Druckstege und Bremsstützhebel

Die Bremsniederhaltung besteht aus mehreren Komponenten.

Bremsniederhaltung mit den äußeren hälftigen Lagergehäusen
Lagergehäuse besteht aus 2 passgenauen Hälften
2 Lagerschalen (Teflon?) auf der Tragrohrlagerfläche
Die Lagerschalen (Teflon?) in den äußeren Lagergehäusen
Lagergehäuse mit Lagerschalen und den halben Druckstegen
Die Lagerschalen und die seitlichen halben Druckstege
 
Das Tragrohrlager ohne alles
Bremsniederhaltung rechts komplett zerlegt

Die Überholung der Bremsniederhaltung besteht aus folgenden Schritten:

1. Die Lagerflächen auf den Tragrohren (Achsrohren) metallisch reinigen und nachpolieren.

Die Lager rechts und links auf den Achsrohren waren sehr stark verschmutzt, verharzt und auch schon leicht angerostet. Das ist wahrscheinlich bei vielen W109 / W112 luftgefederten Hinterachsen, da werden dann über die Jahre die Lager beim Einen oder Anderen nicht richtig oder garnicht mehr abgeschmiert, traurig aber wahr.

Ich habe mit dem Tragrohrlager auf der linken Seite angefangen.

Das verharzte Lagerfett habe ich entfernt, die Lagerfläche entfettet und erst mal mit 180er Schmiergelleinen rundum gut abgezogen. Dann habe ich das Lager auf dem Achsrohr mit einem digitalen Meßschieber vermessen ob die Toleranzmaße noch stimmig sind, die sollen laut WHB zwischen 64,98 bis 65,00 mm liegen.

Das Tragrohrlager habe ich aussen, mitte und innen jeweils rundum um 45 Grad versetzt gemessen, also an 12 unterschiedlichen Stellen rundum das Tragrohrlager (Achsrohr). Die Messungen lagen zwischen 64,96mm und 64,94mm. Gehe ich vom unteren Toleranzmaß 64,98 mm aus dann sprechen wir hier von Abweichungen im Bereich von -2 bis -4 hundertstel Millimeter.

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Die neuen Gummidichtringen der Lagergehäuse aussen hat LT noch aufgezogen

Das linke Tragrohrlager mit 180er Schmirgelleinen abgezogen
Meine Messungen rund um beide Tragrohrlager auf dem (Achsrohr)

Wasdenn nun jetzt? A) Ein neues linkes Achsrohr kaufen welches genau in den Toleranzen liegt, die sind doch gar nicht mehr bei MB verfügbar B) Oder mehrere 109er HA's kaufen und zerlegen bis sich noch ein stimmiges Tragrohr findet, das halte ich aufwands- und kostenmäßig für Schwachsinn. C) Oder wie jetzt mancheiner vielleicht sagen könnte - einfach ca. 1 mm Material auflasern, einen versierten Dreher mit entsprechendem Equipment suchen und es auf Einbaumaß abdrehen lassen, aber wer dreht heute schon so ein Achsrohr noch ab. Das macht alles keinen Sinn.

Das Gute an den 12 verschieden Messungen rund um das linke Tragrohrlager und später an dem rechten Tragrohr ist - Beide Tragrohrlager sind nicht tonnenförmig abgelaufen, wie es öfters schom mal vorkommt.

Zu Bedenken wäre noch, hätte ich mit einem normalen Meßschieber mit 10er Nonius gemessen wäre ich wahrscheinlich auf unter 1 hunderstel Abweichung maximal gekommen.....hätte, hätte Fahrradkette......

Ich habe heute noch mal die Stärke der alten Lagerschalen (Teflon?) gemessen, die war bei beiden Lagerschalen zwischen 2,29mm und 2,31mm dick, also max. 0,21mm Verschleiß, na das ist schon was. Die neuen MB Lagerschalen sind alle 2,5mm dick.

Bei MB hatte ich mir ja neue 2 komplette Reparatursätze schon besorgt. Diese neuen Lagerschalen haben wie oben schon erwähnt alle eine Stärke von 2,5 mm. Ich werde die Tragrohrlager (Achsrohr) schlußletzt noch mit 400er Schmiergel abziehen, neue 2,5 mm Lagerschalen drauf, neue seitliche Druckstege rein, neue Filzdichtungen. Ich werde die neuen Lagerschalen mit den neuen Druckstegen axial nach WHB einpassen und gut ist.

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Neue MB Lagerschalen, neue Filzdichtungen und neue Sicherungsbleche
Die neuen originalen MB Lagerschalen

2. Die Lagergehäuse wurden gereinigt, entlackt/entrostet und gelb chromatiert. Die Lagerflächen innen in den Gehäusen wurden mit 180er und 400er Schmiergelleinen gut abgezogen.

Die 4 halben Lagergehäuse wurden entrostet und gelb chromatiert
Hier die 2 halben linken Lagergehäuse
So werden die Lagergehäuse auf den Achsrohrlagern montiert
Hier das linke obbere Lagergehäuse schon mit 180er Schmirgel abgezogen

Die neuen Lagerschalen habe ich schon mal die neuen Lagerschalen provisorisch in das ein fertiges oberes Lagergehäuse gelegt. Na ja, ich denke das passt sich da alles noch richtig an .....schaun mer mal. Ich habe dann alles noch mal genau vermessen und das war m.E. alles ok:

 
Die neue halbe Lagerschale im halben oberen Lagergehäuse sitzt perfekt
Beide neuen Lagerschalen im ganzen Lagergehäuse sitzten gut
 
  Innendurchmesser der neuen Lagerschalen im fest geschlossenen Lagergehäuse OK
  Durchmesser der Tragrohrlager OK
  Axiale Toleranzen mit seitlichen neuen Druckstegen von 2,9mm, bzw. 3,1mm OK

3. Die Lager der Bremsniederhaltungen auf beiden Seiten wieder einbauen.

In der zweiten Januarwoche 2020 habe ich nach langer Zeit hier wieder mal an der Bremsniederhaltung was gemacht - soll ja schliesslich bald fertig sein. Ich habe beide Bremsniederhaltungen wieder eingebaut.

Mit neuen MB 2,5 mm Lagerschalen. um das Axialspiel auf dem Tragrohr in den Toleranzen lt. WHB zu bekommen habe ich hier beim linken Lager 3,1mm Druckstege und später beim rechten Lager 2,9mm Druckstege verwendet. Dann habe ich noch die neuen Filzdichtung in die dafür vorgesehenen Nuten gedrückt. Die neuen Gummidichtringe (die grossen O-Ringe wurden ja schon vorher vor LT bei der Achsüberholung auf jeder seite aufgezogen).

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Ein neuer Reparatursatz für beide Lager der Bremsniederhaltungen
Das mit 400er Schmiergel abgezogene linke Tragrohrlager
Die neuen 2,5mm Lagerschalen mit den neuen 3,1mm Druckstegen
Lagerschalen und Druckstege laut WHB eingebaut und vermessen
Die Lagerschalen und Druckstege links wurden satt mit Molykote BRS eingesetzt
Hier die noch eingelegten neuen Filzdichtungen rechts und links
Das obere und untere Lagergehäuse des linken Tragrohrs vorbereitet zum Zusammenbau
Das linke Lagergehäuse fertig montiert.
   
Das rechte Lagergehäuse fertig montiert.
Beide Bremsniederhaltungen fertig montiert

Die beiden Bremsniederhaltungen sind jetzt bis auf die Bremsstützhebel fertig, d.h. die Lagergehäuse mit neuen Lagerschalen, mit neuen Druckstegen, mit neuen Filzdichtungen und mit den neuen Rundgummidichtungen aussen neben den Lagergehäusen sind fertig montiert. Die Lagergehäuse lassen sich auf den Tragrohrlagern mittelschwer aber ruckfrei bewegen, das sieht alles wirklich gut aus. Gut eingefettet habe ich bei der Montage erst mal alles mit "Molykote BRS Plus".

Später werden die Lager allerdings mit der Fettpresse und "Renolit MP Plus" richtig abgeschmiert. So lange bis das andersfarbige Renolit sichtbar wird und das schwarze Molykote Fett komplett rausgedrückt ist.

Als Nächstes werden die gestrahlten und neu lackierten Bremsstützhebel montiert mit den neuen Dombefestigungen..

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Die gestrahlten und neu lackierten Bremsstützhebel
2 neue Sätze Dombefestigungen für die Bremsstützhebel

Die Montage der Bremsbacken für die Trommelbremse (Feststellbremse) wird im Abschnitt "Bremsanlage Hinterachse" dokumentiert.

Hier geht es geht im Februar/März 2020 wieder weiter........Schaun mer mal